AW: Partnerschaftliche Liebe und BDSM
Ich verbinde mit "Dom und Sub" ein komplett anderes Bild als mit "BDSM". Bei "Dom und Sub" interessiert mich die Beziehung der beiden - der Umgang, insbesondere diese starke Abhängigkeit... bei dem Begriff "BDSM" denke ich immer an irgendwelche Extreme, um noch das Gefühl (welches auch immer) um jeden Preis aufs Maximum zu bringen. Was ich aber nicht weiß: Sind die Begriffe so unterschiedlich? Zählt zu BDSM nicht mehr der gesamte Umgang zwischen Dom und Sub? Stehen da Sex bzw. sexuelle Reize so stark im Vordergrund? Hatte es bisher immer anders vernommen...
Lass dich nicht so sehr von den Begrifflichkeiten verwirren. Ich bin kein Freund von gewissen Betitelungen, manchmal geht es aber nicht anders, weil wir das Ganze ja immer irgendwie einschätzen (und betiteln) wollen.
BDSM ansich steht ja für mehrere Spielarten und ist einfach nur ein Oberbegriff. BD = Bondage&Discipline DS= Domination&Submission SM= Sadomasochism. Nicht jeder Devote ist auch gleichzeitig Masochist, genauso gibt es Menschen die nur auf Bondage stehen oder Masochisten, die wirklich nur am Schmerz interessiert sind und alles andere als eine devote Veranlagung haben.
BDSM ansich ist so individuell wie die Menschen ansich. Der eine mag dies, der andere das. Sex steht durchaus nicht im Vordergrund, jedenfalls nicht bei allen. Es ist hier genauso wie sonst überall auch, man kann die Menschen nicht über einen Kamm scheren, jedes Paar schafft sich seine eigenen Regeln, seine eigene Umgebung.
Ich hatte mal ne kurze Affaire mit jemandem, der auf SM stand (er wollte dominant sein). Ich hab mich ein Stück weit für ein paar Wochen interessehalber drauf eingelassen. Bei ihm war es so, dass er überhaupt nicht anders als in diesem Schema Sex haben konnte. Auf mich hatte das den Effekt, dass es mich erotisch vollkommen abkühlte - ihm gegenüber insgesamt. Der Hauptgrund für mich lag darin, dass ich es völlig stereotyp fand, dieses Rollending. Ich fand das albern und somit maximal unerotisch. Diese Klischees - von den Gesten, über die Blicke bis zum Vokabular. Total platt irgendwie.
......
BDSM fand ich somit totlangweilig.
Dann bist du aber jemandem aufgessen, der entweder selbst absolut keine Ahnung hatte (sprich Neuling) oder sich irgendwelchen Klischees hingegeben hat. Sollte mir je so ein "Dom" unterkommen, ich würde ihn vermutlich auslachen. Ein Mensch der nur nach einem Schema Sex haben kann tut mir aufrichtig leid und das gilt nicht nur für den BDSM Bereich.
Die andere Seite ist, dass du mit reiner Neugier ohne den wirklichen Wunsch selbst danach, niemals das empfinden kannst, was eine Person empfindet, die tatsächlich diese Neigungen hat.
Was ich bei meiner kurzen BDSM-Erfahrung auch nicht verstanden habe: Wie kann denn etwas, was ich nur spiele, erotisch sein? Es ist ja nur eine Rolle, nur gespielt. Das kann ich doch in dem Moment nicht vergessen. Also angenommen, ich stünde wirklich auf Erniedrigung, Gefahr, Gewalt etc. beim Sex, dann müsste es für mich wahrscheinlich echt sein. D.h. der Typ müsste WIRKLICH ein A**** sein und mich wirklich demütigen. Grundsätzlich und ohne Codewort. Dann könnte ich mir vorstellen, dass das funktioniert (sofern ich darauf stünde). Aber Gefahr, Gewalt, Erniedrigung samstags nach dem Einkauf?! Und wenn wir fertig sind mit böse sein, machen wir ganz gleichberechtigt die Steuer? Das ist doch nicht böse, das ist böse spielen. Und böse spielen ist ziemlich lieb.
Nicht für alle Menschen ist BDSM ein Spiel (Stichwort 24/7 und auch außerhalb dessen gibt es genug Menschen, die BDSM leben und nicht nur "spielen") und du vergisst, dass es auch außerhalb dieses Bereichs "erotische Rollenspiel" gibt (die sexy Krankenschwester, Chef und Sekretärin usw.)
Wer hat behauptet BDSM ist böse? Das ist doch alles wieder nur Klischeedenken.
Was ich sagen will: Es geht doch bei BDSM auch um Grenzüberschreitung, oder? Jedenfalls so wie ich das verstanden habe. Und generell beim Sex um den Wunsch "außer sich" zu sein. Und BDSM will das sozusagen nochmal mehr. Noch mehr archaisch, triebhaft, kompromisslos. Und dann spielen? Das ist m.E. ein Widerspruch in sich. Archaisch kann man nicht "als ob", ohne dass es eine Karikatur ist. Das fand ich so abturnend, dieser Witz des Pseudo-Kick. Viel zu kurz springen. Sich was trauen wollen aber es eben nicht tun.
Das ist ebenfalls wieder klischeebehaftet.
Es geht nicht immer nur um Grenzüberschreitung. Viele Paare haben feste Grenzen die nie übertreten werden, andere lieben es geradezu die Grenzen ständig zu überschreiten.
Viele Menschen "spielen" im BDSM Bereich, andere leben ihn aus, mit allen Konsequenzen. Lass sie doch, Menschen sind individuell.
Ich glaub, daß es diese Klischees zum einen bei jeder Art von Sex und sexueller Spielart gibt. Sie scheinen mir aber im SM-Bereich da noch mal eine besondere Rolle zu spielen. Als ginge es gerade stark darum. Das steht auf einer Ebene vielleicht schon im Gegensatz zum Individuellen und Persönlichen. Auf einer anderen ist es aber vielleicht gerade eine Möglichkeit, wie jemand Persönliches zeigen kann.
Klischees gibt es defintiv überall, Vorurteile auch. Gerade im BDSM Bereich haben die meisten Menschen immer noch die "Peitsche schwingende Domina" im Kopf und den "Stiefel leckenden Manager". Sicherlich gibt es das natürlich auch. Nach meiner Erfahrung ist es aber in dieser Klischeeform tatsächlich nur selten anzutreffen.
Es gibt Menschen denen geht es um Klischees, gerade welche das erste Mal versuchen Erfahrungen zu sammeln, das ändert sich im Laufe der Zeit bei den Meisten (zumindest all jene die ich bisher kennenlernen durfte).
Ich denke, auch diesbezüglich gibt es im BDSM-Bereich große Unterschiede von Person zu Person. Auffällig finde ich dann allerdings auch diese ganzen Konvergenzen, die Läden mit dem immer selben Angebot usw. - Aber das sind vielleicht einfach übliche Angleichungsprozesse, wie man sie in anderen Bereichen auch hat.
Eben. Menschen sind unterschiedlich.
Bei den Geschäften ist es doch genauso wie mit all anderen Läden auch, ein bestimmter Stereotyp soll bedient werden.
Also mir ist in persönlichen Kontakten eine recht beträchtliche Spannweite untergekommen. Darunter solche, die es umso mehr mögen, je "echter" es ist, und andere, bei denen ich den Eindruck hatte, daß ihnen das Theaterspielen schon auch als solches gefällt. Die meisten allerdings irgendwo so in dieser etwas diffusen Mitte, wo ständig von "Spielen" geredet, aber nicht wirklich darauf reflektiert wird, wie das mit dem Als-ob so ist, und man sich eher so der Beteuerung zufrieden gibt, beim Spielen fühle sich das schon irgendwie "echt" an, und (eher SM als BD) Schmerz sei ja als solcher sowieso immer echt undso.
Das Wort "spielen" wird deshalb soviel verwendet, weil viele Menschen es auch leid sind, sich zu rechtfertigen. "Spielen" klingt harmlos. Was aber, wenn sich jemand dazu bekennt es zu "leben". Wenn eine Frau sagt, dass sie immer die "Sklavin" (ich benutze das Wort hier jetzt ganz absichtlich) ihres Ehemannes ist und das aus freiem Willen. Ein Skandal und sie kann ja nicht ganz richtig im Kopf sein, wäre wahrscheinlich noch das harmloseste, was sie sich anhören müsste.
Wir leben zum Glück in einer Zeit, in der jeder wählen kann, wie er leben möchte. Manche spielen, andere nicht.
Danke, Charina, für deine ausführliche Antwort. In meinem Fall ist dir das ein stückweit wirklich gelungen.
Wenn es nur einem Menschen ein stückweit geholfen hat, das Ganze aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, dann hat es sich schon gelohnt.
Ich möchte dir, für deine Neugier und Offenheit danken, ich wünschte, es gäbe mehr Menschen, wie dich.
Von mir weiß ich, daß ich beide Varianten sehr genießen kann - wenn ich mir die entsprechenden Gefühle vergegenwärtige und durchleuchte, ist da teilweise ein deutlicher Zusammenhang von Macht und Lust. (dieses "im kleinen" ist für mich allerdings wirklich aufregend genug... )
Das stell dir vervielfacht einfach bei mir vor und das finde ich dann so aufregend wie du im kleinen.

So anders ist das Ganze nämlich nicht, die Spanne ist einfach nur eine andere.
Und diesen Zwischenbereich, wo Lust in Schmerz übergeht (oder umgekehrt), kenne ich von mir auch. Ich stelle mir vor, daß Menschen mit z.B. BDSM-Neigung in diesem Bereich entweder einen größeren Spielraum haben - sich weiter vorwagen - ausgedehntere Erlebnismöglichkeiten haben - oder Gefühle anders verknüpft sind.
Du schreibst ja, es ist eine Veranlagung, etwas nicht Veränderbares, eine grundsätzliche Disposition.
Definitiv. Deswegen gehen ja Experimente bei Menschen, die es einfach mal nur ausprobieren wollen, weil sie es für aufregend halten, häufig extrem schief.
Mein Eindruck des Gesamtthemas ist, daß sehr maßgeblich die Art und Kultur des Umganges (durch die Beteiligten) dazu beiträgt, welcher Gesamteindruck in der Gesellschaft entsteht.
Deine offensichtliche Souveränität und der Stolz auf dein so-sein (so meine Wahrnehmung)
haben mich beeindruckt und mein Menschenbild bereichert. Danke.
Danke. Das freut mich wirklich.